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Das seelsorgliche Gespräch richtet sich an alle Bewohnenden, unabhängig von ihrer Religions- oder Konfessionszugehörigkeit
nen? Ich werbe in solchen Gesprächen bei meinem
Gegenüber dafür, eine liebevollere Sicht auf sich
selber und auf seine Mitmenschen einzunehmen.
Auch wenn keine religiösen Themen angeschnit-
ten werden, wird durch meine Zuwendung, so hof-
fe ich, etwas von der Anteilnahme Gottes spürbar,
die er an jedem Menschen und seinem Schicksal
hat.
Glaube als Ressource
Forschungsergebnisse zeigen, dass sich das Be-
dürfnis zur Auseinandersetzung mit spirituellen
Fragen in der zweiten Lebenshälfte deutlich ver-
stärkt. Wer bin ich? Was glaube ich? Worauf hof-
fe ich? Was wird sein nach dem Tod? Im Rahmen
des von mir ausgerichteten Gruppenangebots «Bi-
bel im Gespräch» biete ich Bewohnerinnen und
Bewohnern in der SONNHALDE die Möglichkeit,
diesen Fragen nachzugehen. Beim gemeinsamen
Lesen in der Bibel, beim Singen und Beten und im
anschliessenden Gespräch können sich die Teil-
nehmenden ihres eigenen Glaubens vergewissern,
Einsichten erneuern und vertiefen. Dasselbe gilt
für die im zweiwöchentlichen Rhythmus stattfin-
denden Andachten. Nach meiner Wahrnehmung
haben Menschen, die im christlichen Glauben
beheimatet sind, eine zusätzliche, hoffnungsvolle
Ressource. Diese hilft ihnen, Krisen besser zu be-
wältigen und in ihrem Leben einen Sinn zu sehen,
auch dann, wenn es von Krankheit geprägt ist.
Während der Gruppenstunde erleben sich die Teil-
nehmenden als Teil der Gemeinschaft der Glau-
benden. Der eigene Glaube gewinnt an Bedeutung
und Stärke. Es ist eindrücklich mitzuerleben, wie
einzelne Personen in der Gruppe gestützt werden
aber auch für andere Stütze sein können. Meine
Aufgabe ist es hier, zu moderieren. Ich achte da-
rauf, besonders jene Texte der Bibel ins Gespräch
zu bringen, die aufrichten, trösten und stärken.
Ausrichtung auf das Licht statt die Dunkelheit
Die Gedanken, denen wir Raum geben, beeinflus-
sen unsere Lebensrealität. Darum ist es wichtig,
die heilsamen und positiven Gedanken, die die
christliche Botschaft vermittelt, hervorzuheben, sie
zu wiederholen und zu vertiefen. In der Wahrneh-
mung genau dieser Aufgabe sehe ich ein grosses
Potential und eine Chance der Seelsorgearbeit im
Umgang mit psychisch kranken Menschen. Mut-
machende Gedanken können ein Gegengewicht zu
schädlichen und krankhaften Gedanken darstellen.
Der Blick kann von zwanghaften, selbstzerstöreri-
schen Gedanken abgewendet und auf heilsame,
das Selbstwertgefühl steigernde und hoffnungs-
volle Gedanken hin gerichtet werden.
Die Stabilisierung des Einzelnen trägt auch zur
Stabilität des Ganzen bei
«Das hat mir jetzt gut getan», höre ich oft nach
einem Gespräch oder einer Gruppenstunde. Man-
che Hand, die bei der Begrüssung noch kalt war,
ist beim Abschied wieder ganz warm. Offensicht-
lich erreicht die spirituelle Nahrung Seele als auch
Körper und somit den ganzen Menschen. Doch die
positiven Auswirkungen sind noch weitreichender.
Sie strahlen nicht nur von der Seele auf den Körper
aus, sondern auch vom Einzelnen in sein Umfeld
hinein. Die Stabilisierung des Einzelnen trägt im-
mer auch zur Stabilität des Ganzen bei. So hoffe
ich, dass von meiner Arbeit mit einzelnen Bewoh-
nerinnen und Bewohnern sowie den kleinen Grup-
pen letztlich positive Impulse auf das Zusammen-
leben im ganzen Haus ausgehen.
Gerlinde Brellochs
Pfarrerin, Dipl. Theologin, Dipl. Seelsorge und Beratung
Ref. Seelsorgerin, SONNHALDE, Grüningen ZH